12. September 2008

Siegmund Nimsgern über die Probenarbeit mit Karl Richter



Siegmund Nimsgern (links) und Karl Richter während der Fernsehaufnahme von Bachs Johannes-Passion in der Klosterkirche zu Dießen am Ammersee

Ich kann mich bei der Probenarbeit nicht erinnern, dass Richter substantiell etwas kritisiert hätte. Gelobt hat er auch nicht, er hat an sich ganz wenig gesagt. Ich habe das immer so verstanden, dass wir, blind oder sehend, ohne große Diskussion uns immer verstanden haben. Ich muss dazu sagen, dass ich ein sehr revolutionärer, aufmüpfiger junger Mann gewesen bin, der sich eigentlich mit jedem Dirigenten, wenn es um eine Sache ging, die mir nicht gepasst hat, angelegt hat. Aber bei Herrn Richter, vielleicht auch aus Respekt und Ehrfurcht, Angst möchte ich nicht bemühen, war ich irgendwie handzahm. Es war auch alles so richtig. Also habe ich damals die Rezitative relativ breit und langsam gebracht. Mir kam das so richtig vor, und ich glaube, er hat das bei mir auch so empfunden.


Siegmund Nimsgern (rechts) und Ernst Gerold Schramm während der Fernsehaufnahme von Bachs Johannes-Passion in der Klosterkirche zu Dießen am Ammersee

Ich kann mich nicht erinnern, dass er einmal gesagt hätte: Können Sie das nicht so oder so anders machen? Außer was ich vorher schon sagte, dass er den Pilatus bei den Filmaufnahmen der Matthäus-Passion, den er von mir ja gar nicht kannte, anders haben wollte. Wir waren schon geschminkt und haben uns einfach zum Filmen hingestellt. In einem Tag oder zwei war das ja gemacht. Da wollte er, ich erinnere mich, diese Vorhalte beim Petrus nicht. Und dann bei Pilatus, „was führet ihr für Klage wider diesen Menschen", das war ja fast das Volk angebrüllt, aus lauter Angst bei Pilatus, das wollte er auch nicht so ganz rrrrrsch.


Siegmund Nimsgern im Interview am 13. Mail 2004 in St. Ingbert

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