28. Juni 2006

Orpheus Oper International: Karl Richter Ehrungen

In orpheus Oper International - Ausgabe Juli / August 2006 (Nr. 7/8) - schreibt Sebastian Sternberg in der Rubrik Musik & Markt (Seite 51f)

"Karl-Richter-Ehrung bei DG


Mit fünf DVD-Boxen haben die Deutsche Grammophon und Unitel dem Dirigenten KARL RICHTER ein Denkmal gesetzt.

Die „Matthäus-Passion” (00440 073 4149), „Johannes-Passion” (00440 073 4112), h-Moll-Messe (00440 073 4148) und die Brandenburgischen Konzerte (00440 073 4147) von Johann Sebastian Bach werden ergänzt durch den gründlichen Porträtfilm „Karl Richters Vermächtnis” (00440 073 4150), in dem eine Annäherung an das Phänomen Richter versucht wird.

Die Filme sind einst in solider Regie für das Fernsehen produziert worden und gingen zuletzt beim Bezahlsender Premiere/Classica über den Bildschirm. Das spricht nicht gegen die zeitnahe Veröffentlichung auf DVD. Im Gegenteil: Die bemerkenswerten Einspielungen mit dem Münchener Bach-Chor und dem Münchener Bach-Orchester werden so einem größeren Publikum auf Dauer zugänglich gemacht und
verschwinden nicht wieder auf unbestimmte Zeit in den Archiven.

Obwohl seit den Aufnahmen 35 Jahre und mehr verstrichen sind und sich eine ganze Generation neuer Interpreten der Werke Bachs mit atemberaubender Phantasie annahm, hat sich Richter eine Zeitlosigkeit bewahrt, die so häufig nicht ist. Nach meinem Dafürhalten ist dies darauf zurückzuführen, dass seine Interpretationen eine gewisse Endgültigkeit vermitteln. So und nicht anders! Richter ist konservativ. Er musiziert die Passionen mit großem Ernst und einem Ensemble, darunter HELEN DONATH. JULIA HAMARI, PETER SCHREIER, HORST R. LAUBENTHAL und SIEGMUND NIMSGERN, das keine eigenen Wege geht, sondern sich ganz der strengen Leitung unterwirft. Die Individualität des Einzelnen scheint nicht gewollt. Auf den geschlossenen Gesamteindruck läuft alles hinaus. Es gibt da keinen Sänger, keine Sängerin, die sich in den Vordergrund arbeitet. Das tut ja auch der Maestro selbst nicht. Etwas anders klingt das noch in der früheren h-Moll-Messe, wo GUNDULA JANOWITZ oder HERMANN PREY durch unverwechselbares Timbre hörbar und doch hinreißend schön etwas aus dem Rahmen fallen.

Zeitgleich ist ein sehr empfehlenswertes reichbebildertes Buch mit dem Titel „Karl Richter in München – Zeitzeugen erinnern sich“ bei Conventus Musicus Dettelbach (ISBN 3-00-016864-8) erschienen. Es ist eine ideale Ergänzung zu den DVD-Ausgaben, zumal darin auch mitwirkende Solisten zu vernehmen sind – und zwar sehr unverstellt und direkt. Der Redefluss wird im Nachhinein nicht angehübscht. Das erhöht die Authentizität und schafft auch einen gewissen Unterhaltungswert.

Allerdings hätten die interviewten Sänger, Musiker und andere Zeitzeugen deutlicher zugeordnet werden können. Nicht jeder Leser weiß auf Anhieb, wer zum Beispiel FRIEDEMANN WINKELHOFER ist. Erst auf den fünften Blick erschließt sich, dass es sich um einen Continuo-Spieler handelt.

Einleitend kommt auch ROLAND WÖRNER zu Wort, der selbst ein bemerkenswertes Buch über den Dirigenten und Organisten verfasste: „Karl Richter – Musik mit dem Herzen“. Es ist 2001 im Panisken Verlag erschienen und sollte dringend neu aufgelegt werden."

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